KT_Top

Inge

Klaus Tennstedt ist mittlerweile als Kapellmeister in Karl-Marx-Stadt (jetzt Chemnitz) engagiert. Während dieser Zeit passieren zwei Dinge, die sein privates wie auch berufliches Geschick massiv durcheinanderwerfen. Sein Glück ist eine gewisse Mezzosopranistin namens Ingeborg Kollmann, geborene Fischer.

Inge Kollmann: Klaus kam, um eine Produktion der Aida [von Giuseppe Verdi] zu dirigieren, in der ich auch eine Rolle hatte. Ich saß auf einem Tisch, als dieser junge Mann hereinkam. Ich dachte, sollte ich respektvoll sein und aufstehen? Ich entschied, es nicht zu tun.“   Bild: Ingeborg Kollmann 

Und Tennstedt denkt, wie er erzählt: „Wer ist dieses arrogante Mädchen?“ Doch Amor steht schon auf der Lauer und wartet, wann er den ersten Pfeil setzen kann.

Dieter Bülter-Marell: Inge war eine sehr anziehende und schöne Frau. Sie war eine sehr stark Erotik ausstrahlende Frau. Ein Urvieh auf der Bühne, großartige Darstellerin, sehr liebenswerter Mensch.

„Ich habe noch nie“, sagt Klaus, „einer Sängerin so viele Extraproben gegeben, wie ihr.“ So beginnt wohl manche Liebesgeschichte. Der Regisseur Dieter Bülter-Marell hat die heiße Phase miterlebt:

Klaus ist stark abhängig von ihr gewesen, immer, immer. Er war ihr sicher auch sexuell hörig. Er brauchte sie, und wenn er später in Radebeul alleine war, dann mussten stundenlange Telefongespräche geführt werden, weil sie mittlerweile in Leipzig engagiert war. Täglich. Wir können 10 Schnäpse getrunken haben, aber da musste noch ein Zweistundengespräch geführt werden.

Dieter Härtwig: Sie war das Ordnungsprinzip im Leben von Klaus. Wenn er sie nicht gehabt hätte… [hin und her wackelnder Finger]. Als Künstlerin war sie schon ein bisschen vorbei. Das ist nun mal das Schicksal mancher Sängerin.

Doch das Unglück wartet schon um die Ecke, wie so oft im Leben von Klaus. - Mehr dazu im Buch.

* * * * *

„Ich bin Klaus´ unbezahlte Vollzeit-Sekretärin.“ (sagt Inge Tennstedt, mehr als 20 Jahre später)
„Auf der Ehefrauen-Skala von eins bis zehn war sie eine Zwölf.“ Dieses Bonmot über Inge wiederholen wir gerne, um sogleich eine Laudatio folgen zu lassen, die eigentlich für Klaus bestimmt ist. John Willan, sein Freund und Manager, spricht mit festlicher Stimme:

Klaus Tennstedt ist der schwierigste Mensch, den es gibt. Keiner weiß das besser als seine Frau Inge. Wenn es stimmt, dass hinter jedem großen Mann eine noch größere Frau steht, dann ist Inge der Beweis.
     Klaus sagt, dass man Mahler nur dirigieren kann, wenn man in seinem Leben gelitten hat. Nach dieser Definition müsste Inge der größte Mahler-Dirigent sein, den die Welt je gesehen hat. Sie hatte mit seiner Krankheit zu kämpfen, mit seinen Absagen und Ersatzterminen, musste mit enttäuschten, sogar wütenden Managern, Plattenfirmen, Solisten, Agenten und dem Publikum allein fertig werden. Vor allem musste sie mit Klaus´ schrecklicher Frustration fertig werden, bei so vielen Gelegenheiten nicht dirigieren zu können. Sie sollte eine Medaille bekommen.

Diese Laudatio klingt amüsant und ist doch nicht zum Lachen. Inge Tennstedt, geborene Fischer, ist die Frau, ohne die es keinen Klaus Tennstedt gegeben hätte, so wie wir ihn kennen. Ein vertorkeltes Blatt im Wind wäre er gewesen, allein kaum in der Lage, das Leben zu meistern.

Please publish modules in offcanvas position.